Management der organisationsinternen Kommunikation. Teil 1: Der Stoff, aus dem die Unternehmen sind_#45

von | 18/04/2016 | 0 Kommentare

„Wer unsere interne Kommunikation macht? Die macht unsere Kommunikationsabteilung.“ Kennen Sie diese Antwort? Ich höre sie ziemlich häufig, insbesondere in großen Unternehmen, die eine „Kommunikationsabteilung“  eingerichtet haben. Mit großem Selbstbewusstsein geben die Profis in den Kommunikationsabteilungen übrigens dieselbe Antwort. Das Besondere an dieser Antwort: Sie ist beinahe komplett unzutreffend. Noch bemerkenswerter sind aber die Konsequenzen, die aufgrund dieser Fehleinschätzung gezogen werden.

Innerhalb einer Organisation wird andauernd kommuniziert. Und zwar von jedem: Terminklärungen, inhaltliche Absprachen, Abstimmen über die Erledigung von Aufgaben, Informieren über geplante Maßnahmen, Koordinieren von Aktivitäten, Teilnahme an Meetings, Projektergebnisse präsentieren und so fort. Selbst der einsam forschende Entwickler nutzt Erkenntnisse, wie sie in Berichten, Auswertungen, in Zahlenreihen oder Texten abgelegt sind – nichts anderes als geronnene Kommunikation. Und produziert seinerseits genau das: Berichte, Zahlenreihen, Einschätzungen – die wiederum anderen vorgelegt werden, um dort beispielsweise einen Entscheidungsprozess zu ermöglichen. Fast unnötig darauf hinzuweisen, dass auch diese Entscheidungsprozesse kommunikativ getragen sind. Es existiert vermutlich in keinem Unternehmen dieser Welt irgendein Prozess, der komplett kommunikationslos ausgeführt werden könnte. Mindestens aber ist jeder Prozess in kommunikativ getragene Prozessketten eingewoben.

Prozesskommunikation und Zentralkommunikation

Ich fasse diese unzähligen und mannigfaltigen Kommunikationen unter dem Term „Prozesskommunikation“ zusammen. Bei Prozesskommunikation handelt es sich also um solche Kommunikation, die im Zusammenhang der Erledigung der gestellten Aufgaben ausgeführt wird. Wie gezeigt passiert genau das permanent und so gilt: Prozesskommunikation ist allgegenwärtig, in jeder Organisation.

Deshalb „macht“ nicht eine vergleichsweise kleine Gruppe von Personen – gemeint: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunikationsbereiche – die Kommunikation. Zwar wird hier durchaus Kommunikation „gemacht“, aber eben nicht nur hier. Und auch „nur“ eine besondere Form der organisationsinternen Kommunikation, die ich als „Zentralkommunikation“ bezeichne und damit von der Prozesskommunikation abgrenze. Unter Zentralkommunikation verstehe ich solche kommunikativen Handlungen, die von einer zentralen Stelle (wie beispielsweise der Kommunikationsabteilung) inszeniert und betreut werden und an organisationsinterne Zielgruppen gerichtet sind. Über  Medien wie die Mitarbeiterzeitung, Aushänge, Flyer, Social Media oder das Intranet werden zentrale Botschaften der Unternehmensleitung vermittelt und „in die Mannschaft“ gebracht.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Keineswegs stelle ich die Bedeutung der Zentralkommunikation in Abrede. Selbstverständlich ist es für jede Organisation wesentlich, dass sie eine zentral gesteuerte Kommunikation über ihre Werte, Ziele, die neue Strategie und viele andere Themen führt. Mir geht es darum, die professionelle Verblendung zu attackieren, die auch schon mal in Selbstüberhöhung münden kann: Es ist ganz einfach falsch, lediglich die professionell betriebene Zentralkommunikation als allein existierende Kommunikation anzusehen. Was daran schlimm ist? Es entzieht einen riesengroßen Bereich kommunikativen Handelns, nämlich die Prozesskommunikation, den Prinzipien und Methoden moderner Managementkonzepte. Und es führt dazu, dass falsche Schlüsse gezogen werden.

Kronzeuge und Kernthesen

Niklas Luhmann (1927-1998) darf wohl als einer der einflussreichsten Vertreter der deutschsprachigen Soziologe der letzten 50 Jahre gelten. Ohne hier auch nur annähernd sein Werk referieren zu wollen, möchte ich einen für Luhmann zentralen Aspekt seiner Theorie der sozialen Systeme herausstellen. Für Luhmann bestehen Organisationen, die er als eine Ausprägung sozialer Systeme ansieht, nicht aus Menschen, sondern aus Kommunikationen:

  • „Soziale Systeme bestehen demnach nicht aus Menschen, auch nicht aus Handlungen, sondern aus Kommunikationen.“ (Niklas Luhmann <19903>: Ökologische Kommunikation. Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen?, Opladen)

Luhmanns radikale Position ist nicht unwidersprochen geblieben. Die Kritik bezieht sich auf die Annahme, dass soziale Systeme (und damit auch Organisationen) nicht aus Menschen bestünden. Nicht nur ich vertrete die Auffassung, dass diese Sichtweise höchstens aus abstrakter Perspektive weiterführen kann. Luhmanns Kernaussage möchte ich jedoch aufgreifen und für meine Überlegungen nutzen: Soziale Systeme und damit auch Organisationen (für Luhmann gibt es auch andere soziale Systeme wie zum Beispiel die Gesellschaft) sind aus Kommunikation „gemacht“.
  Bei allen Vorbehalten, die für eine äußerst verkürzte Bezugnahme auf einen Autor wie Luhmann gelten müssen, finde ich in Luhmanns Position Bestätigung für meine These, dass Kommunikation innerhalb einer Organisation umfassend zu sehen ist – und keineswegs auf die Zentralkommunikation reduziert werden kann.

Pointiert lässt sich formulieren: Kommunikation ist der Stoff, aus dem die Unternehmen sind.

Ich bündele wie folgt:

  1. Alle Insassen einer Organisation sind „Macher“ der (organisations-) internen Kommunikation. Und zwar permanent, weil alle permanent kommunizieren. Sie tun dies, um Tätigkeiten und Prozesse auszuführen, deren Ausrichtung und Ablauf oftmals durch „Prozessmanager“ gesteuert werden. Diese Arena der unternehmensinternen Kommunikation bezeichne ich als „Prozesskommunikation“. Ihre Qualität entscheidet über Effizienz und Effektivität, aber auch über die Zufriedenheit mit dem Job.
  2. Die Kommunikationsabteilungen, Kommunikationsbereiche oder wie immer deren Bezeichnung lautet, „machen“ lediglich einen sehr kleinen Teil dieser internen Kommunikation, gemessen am Gesamtaufkommen der internen Kommunikation. Ich bezeichne diesen kleinen Teil der internen Kommunikation als „Zentralkommunikation“. Auch die Zentralkommunikation nimmt eine wesentliche Funktion im Kommunikationsgeschehen ein, weil sie nach wie vor als Stimme der Unternehmensleitung wahrgenommen wird.
  3. Im Feld der geplanten Kommunikation existieren neben der Prozesskommunikation und der Zentralkommunikation die Kommunikationstrainings. Diese werden in der Regel durch die Personalentwicklungsbereiche veranlasst und dienen der Vermittlung kommunikativer Fertigkeiten wie beispielsweise Vortragstechniken, Gesprächsführung, Dialektik, Konfliktmanagement oder Moderation. Nahezu immer sind diese Trainings auf die kommunikative Rolle des Sprechers fokussiert. Die Fertigkeiten als Hörer bleiben weitestgehend unreflektiert. Kommunikationstrainings sind insofern kommunikativ relevant, als selbstverständlich auch in diesen Settings kommuniziert wird. Da diese Kommunikation als Lehr-Lern-Prozess zu begreifen ist, der durch die Personalentwicklung bzw. den durch sie beauftragten Vermittler (also die Trainerin, der Facilitator oder wie immer bezeichnet) inhaltlich vorgegeben ist, können Kommunikationstrainings in einem weiten Sinn als eine Art der Zentralkommunikation aufgefasst werden.

Die folgende Grafik illustriert die Zusammenhänge:

Grafik Kommunikationsmanagement

 

Im nächsten Blogpost, der Mitte Mai 2016 erscheinen wird, möchte ich die organisationsinterne Kommunikation anhand dieser Unterscheidungen näher analysieren. Denn für eine Verbesserung der internen Kommunikation bedarf es eines ganzheitlichen Kommunikationsmanagements.

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Dr. Guido Wolf,
Kommunikationsforscher

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