Gute Orte /#5
Ein persönliches Jahres-Highlight. Mit besten Wünschen für Sie
Kennen Sie das? Manchmal gelangt man an einen Ort, zufällig oder nicht, und ist beeindruckt. Einen solchen Ort habe ich kürzlich gefunden, worüber ich berichten möchte. Und ein wenig nachdenken. Wobei nicht ganz auszuschließen ist, dass mich bereits vorweihnachtliche Stimmung ergriffen hat.
Mitten in der Pampa: eine beeindruckende Kapelle, erbaut von einem Stararchitekten
Der Ort, den ich meine, befindet sich am Rand der Nordeifel. Genauer gesagt muss man sich in das eher mäßig bekannte Dorf Mechernich-Wachendorf begeben. Just dort, wo es wahrhaftig nicht unbedingt zu erwarten wäre, habe ich einen zumindest für mich sehr inspirierenden Ort gefunden. Es handelt sich um die „Bruder-Klaus-Feldkapelle“. Sie ist dem Schutzpatron der Landjugend, dem Heiligen Nikolaus von Flüe gewidmet. Gebaut wurde die Kapelle in den Jahren 2005-2007 von dem berühmten Schweizer Architekten Peter Zumthor, den eine ortsansässige Landwirtsfamilie für diesen Bau gewinnen konnte.
Für Hintergrundwissen verweise ich auf die Homepage > http://www.feldkapelle.de sowie auf den Eintrag in Wikipedia > http://de.wikipedia.org/wiki/Bruder-Klaus-Feldkapelle_(Wachendorf). Zahlreiche und gute Fotos finden sich über die Bildersuche in den Suchmaschinen unter dem Eintrag „Bruder-Klaus-Kapelle“.
Ein beeindruckender Ort – warum eigentlich?
Was macht diesen Ort zu einem Besonderen, zumindest für mich? Es ist fraglos das Bauwerk selbst. Aber es sind auch Erkenntnisse, auf die dieser Ort und seine Lage hinweisen. Exemplarisch seien diese drei Einsichten hervorgehoben:
- Auf die Perspektive kommt es an
Nähert man sich dem Bauwerk, so wirkt es je nach Blickwinkel fast klotzig – oder beinahe filigran und schlank. Aus der Ferne scheint es, als sei die Kapelle recht klein (was sie tatsächlich auch ist). Doch je nachdem, wie sich der Weg schlängelt, blickt man auf andere Gebäudeteile. Nach einem Fußweg von etwa 15 Minuten, während derer die Kapelle die ganze Zeit über zu sehen ist, steht man am Eingang. Spätestens dann sieht die Kapelle plötzlich groß und mächtig aus. Ich lerne: Wie etwas aussieht und wirkt, hängt von mir selbst und meiner Perspektive ab. - Unterschied zwischen innen und außen
Im Inneren der Kapelle führt ein kurzer, geschwungener Gang in den Innenraum, der ziemlich eng ist, aber immer höher wird. Der Grundriss ist mit „organisch-gerundet“ am ehesten zu beschreiben – und hat nichts mit der äußeren, fünfeckig-kantigen Kubusform zu tun. Das erinnert mich an manche Momente meines (beruflichen) Lebens: Es lohnt sich, seine Urteile nicht allein auf Äußerlichkeiten zu stützen. Denn das Äußere gibt oft keinen Aufschluss über das Innere. - Verschiedenheit nutzen
Für den Baukörper hat Zumthor Beton verwendet. Dieser Beton ist aus heimischen Stoffen hergestellt und mutet fast wie Lehm an. Das verbindet die Kapelle mit der spätmittelalterlichen Einsiedelei des Heiligen Klaus, die sicherlich ausgesprochen einfach gehalten und aus Lehm gebaut war. Sehr sparsam setzt Zumthor weitere Materialien ein: Metall (beispielsweise die mächtige und zugleich filigran wirkende Tür; ein fast zu übersehendes Kreuz aus Eisen; im Inneren eine Stele mit einer Büste des Heiligen aus rohem Eisen), Blei (der Boden), Holz (allerdings nur als Erinnerung, denn die Verschalung des Innenraums bestand aus später verbrannten Baumstämmen; das Holz hat in den Innenmauern seine sichtbaren Spuren in Form der Abdrücke hinterlassen). Meine Erkenntnis: Gerade aus der Verbindung von Unterschiedlichem, durch Andeutungen und symbolische Verweise lässt sich ein beeindruckendes Gesamtresultat erzielen.
Das also ist für mich ein „guter Ort“.
Aber: Ist es wirklich „nur“ der Ort?
Vermutlich kommt jeder Mensch zuweilen an einen für ihn guten Ort. Das kann ein Berggipfel oder ein Waldstück, ein Strand oder eine Lichtung sein; ein Bach mit klarem Wasser, ein altes Gemäuer, eine Stadt oder ein Aussichtspunkt; ein Ort mit Geschichte, sei sie ‚groß‘ oder von persönlicher Erinnerung geprägt; oder die eigene Wohnung, ein wärmendes Feuer, der eigene Garten, das Heimatstadion des Lieblings-Vereins; und so fort. An solchen Orten sind wir begeistert, berührt, fühlen uns angekommen, geben unserer Begeisterung Ausdruck, wollen unser Erleben teilen, davon erzählen. Oder werden still. Solche Gefühle verknüpfen wir mit guten Orten.
Doch am Ende beeindruckt uns der Moment in seiner Gesamtheit: Da ist zunächst der Ort selbst. Aber auch die Stimmung, in der wir uns befinden, gehört dazu. Ebenso die Geräusche, das Licht, die Farben und Formen, der Geruch an diesem Ort; der soeben zurückgelegte, vielleicht beschwerliche Weg; unsere (bewusst gewählte?) Einsamkeit beziehungsweise die Menschen, mit denen wir gemeinsam dort sind oder die wir dort treffen; die Besonderheit einer hier und jetzt erlebten Geste; ein überraschender Blick auf einen Menschen, auf die Welt, auf die Natur, auf ein Ereignis; das Gespräch, das wir in diesem Moment führen…
Gute Orte sind am Ende gute Momente. Und genau solche wünsche ich Ihnen – zu Weihnachten, im Neuen Jahr. Und immer wieder aufs Neue. Wo immer Sie sind.
2 Kommentare
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Gute Orte – ähnlich doch anders, von unglaublich spiritueller Dichte, auch für Ungläubige wie mich: die Klosterkirche der Abbaye Sainte-Madeleine (Abbaye du Barroux), provenzalische Pampa statt eifler, gelebte Religiosität statt reinem Gedenken (wieder nicht störend für Ungläubige), ein erhabener Ort für gute Momente. Ein gutes neues Jahr, Guido Wolf!
Vielen Dank für den Hinweis. Und vice versa: ein gutes neues Jahr an LC!