Ist da noch wer?_#69

von | 15/04/2018 | 2 Kommentare

Neue Zielgruppen für die interne Kommunikation

„Waaaas? Rund 50%?“ Die Verantwortliche für die interne Kommunikation staunte nicht schlecht, als sie erfuhr, dass in der Produktion fast die Hälfte aller Mitarbeiter keine fest angestellten, sondern externe Fachkräfte waren. Davon waren die meisten als Zeitarbeitnehmer zwar nur über einen bestimmten Zeitraum beschäftigt und der Rest als wiederkehrender Dienstleister (z.B. für Instandhaltungstätigkeiten) oder als Werkverträgler in Projekte eingebunden. Aber die „Zugehörigkeit“ vieler dieser „externen Internen“ zum Unternehmen war oftmals deutlich länger als gedacht. Genau diese Zielgruppe aber spielte im besagten Unternehmen keinerlei Rolle für die interne Kommunikation: Sie wurde schlicht übersehen. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung dürfte sich das Thema noch weiter zuspitzen.

Multi-Targeting durch Digitalisierung: die externen Internen

Es gehört zum ganz kleinen Einmaleins des Kommunikationsmanagements, dass es vor einer Kommunikationsmaßnahme gilt, die Zielgruppe zu definieren. Stellt man aber in IK-Bereichen die Zielgruppen-Frage, lautet die stirnrunzelnde Antwort häufig: „Unsere Zielgruppe sind natürlich die internen Mitarbeiter und Führungskräfte, also alle, die Zugang zu unseren internen Medien haben.“ Wer jedoch glaubt, dass allein diese Personen Zugang zu internen Medien haben, irrt. Und das nicht erst seit gestern. 

Schon seit langem ist in vielen Unternehmen festzustellen, dass der Anteil der fest angestellten Mitarbeiter zurückgeht. Viele Aufgaben werden heutzutage an Projektteams übertragen, in denen neben den unternehmenseigenen Kollegen auch externe Spezialisten, nicht selten auch Lieferanten und sogar Kunden mitwirken – global verteilt, versteht sich. Da sitzt die Zentrale in Deutschland, das Innovationszentrum in Asien und die IT in Osteuropa, da sind Sales-Regionen über die Welt verteilt. Allein diese Verteilung bedeutet eine erhebliche Diversität in den Projektteams. Doch dazu kommen eben die Spezialisten aus anderen Unternehmen, kommen die Lieferanten und womöglich auch Kunden: Divers aufgestellte Projektstrukturen mit externem Fachpersonal bedeuten ein Plus an Agilität und können obendrein in ihrer kapazitativen Ausstattung flexibel an den Bedarf angepasst werden. Zudem ist es für die spätere Implementierung der gefundenen Lösung ausgesprochen hilfreich, ein Projektteam breit aufzustellen.

Für die interne Kommunikation folgt daraus jedoch, dass sehr unterschiedliche Zielgruppen im Interesse des eigenen Unternehmens tätig sind – und deshalb kommunikativ betreut werden müssen. Mancher „externe Interne“ ist aufgrund „seines“ IT-Projekts möglicherweise für 2 oder mehr Jahre im Unternehmen tätig und muss schon aufgrund der Bedeutung des Projekts in der unternehmensinternen Kommunikation berücksichtigt werden. Ein „interner Interner“ ist er deshalb noch lange nicht. Weitere Komplexität ergibt sich, wenn über die gezielt eingesetzten Dienstleister hinaus auch Geschäftspartner wie Lieferanten und Kunden zumindest temporär innerhalb des Projekts und damit in der Organisation tätig werden: Auch diese Personen stellen potentielle Zielgruppen der organisationsinternen Organisation dar.

Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Fragen. 3 wichtige Aspekte seien herausgegriffen:

  1. Ziele: Welche kommunikativen Bedürfnisse haben „externe Interne“ und wie unterscheiden sie sich von den Bedürfnissen der „internen Internen“? Ebenso ist zu fragen, welche orientierenden Vorgaben zum kommunikativen Verhalten die externen Internen wissen sollten, damit sie angemessen an den kommunikativ getragenen Prozessen teilnehmen können?
  2. Medien: In welcher Form sind die „internen Externen“ kommunikativ zu adressieren und welche Medien bzw. Kanäle sollen zur Verfügung gestellt werden?
  3. Inhalte: Wie werden den temporär gebundenen Externen kommunikative Werte und Gepflogenheiten vermittelt, die im internen wie externen Kommunikationsverkehr zu beachten sind? Denn häufig agieren diese Personen nach außen, als seien sie angestellte Mitarbeiter – und so werden sie von außen durchaus wahrgenommen.

Wenn ich in IK-Bereichen solche Fragen stelle, stoße ich überwiegend auf Erstaunen (s.o.) sowie auf eine gewisse Wurschtigkeit: „Die haben doch Zugriff auf das Intranet, da können die doch alles lesen.“ Das aber stimmt ganz einfach nicht, denn die Zugriffe sind für Externe meistens sehr genau geregelt und eben auch eingeschränkt. Zudem ließe sich fragen, ob es nicht auch eine Willkommensgeste wäre, wenn auch die internen Externen spezifisch bedient würden. Ich meine durchaus, dass man es sich da ein bisschen zu einfach macht – gerade auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung, die weiter zur Auflösung klarer Strukturen und eindeutig definierter Organisationszugehörigkeit beiträgt.

Digitalisierung löst klare Zugehörigkeitsgrenzen der Organisation auf

Natürlich gilt es im Blick zu behalten, dass sich die digitale Transformation abhängig vom Geschäftsmodell, von der Branche, von den Strukturen und prozessualen Rahmenbedingungen sowie von der strategischen Ausrichtung höchst unterschiedlich auswirkt. Während eine Internetbank naturgemäß längst „durchdigitalisiert“ ist, sieht sich ein mittelständischer Maschinenbauer mit ganz neuen Fragestellungen rund um „Industrie 4.0“ konfrontiert. Dennoch wirft digitale Transformation allerorten ähnliche Fragen auf, die insbesondere das Kommunizieren innerhalb der Organisation betreffen. Ein zentraler, gleichwohl bislang deutlich unterkomplex behandelter Aspekt ist eben die hier thematisierte Auflösung einer klar definierten Zielgruppe für die interne Kommunikation.

Einfache Lösung wäre möglich

Dabei wären erste Schritte ausgesprochen einfach zu bewerkstelligen. Stets unter Beachtung gesetzlicher Vorgaben (ich denke etwa an Gesetze zur Arbeitnehmerüberlassung oder Scheinselbständigkeit) dürfte es ein Leichtes sein und obendrein wenig Kosten produzieren, wenn man für die „internen Externen“ ein eigenes (Sub-) Portal bereitstellte. Plausible, nützliche Inhalte wären etwa die Einführung in Vision, Mission sowie Unternehmensleitbild, die Verpflichtung auf kommunikationsrelevante Standards (etwa Konventionen für Mails wie Signatur, Stil, Umgang mit cc usw.) oder Hinweise auf wichtige Anlaufpunkte (virtuell wie auch physisch) und Ansprechpartner (beispielsweise bezüglich Arbeitssicherheit).

Ein solches Portal ist lediglich Beispiel für manch weitere, vergleichsweise unaufwendig einsetzbare Instrumente der internen Kommunikation. Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis die internen Externen als Zielgruppe interner Kommunikation angemessen betreut werden.

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Dr. Guido Wolf,
Kommunikationsforscher

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