Erfolgsrisiko Erfolg: Selbstgefällig in die Pleite /#18

von | 15/01/2014 | 0 Kommentare

„Wir blicken auf ein großartiges Jahr zurück. Es ist es uns gelungen, unsere Marktposition weiter auszubauen. Maßgeblich dafür war, dass wir unsere bewährten Produkte über den seit Jahren erfolgreichen Vertriebskanal in den Handel gebracht haben. So kann und so wird es weitergehen! Und jetzt testen wir mal gemeinsam, ob die Hotelbar ebenso lieferfähig ist wie wir.“ Tosendes Gelächter und donnernder Applaus belohnten die launige Rede des langjährigen Vorstandsvorsitzenden auf der Führungskräftetagung. 120 Manager aus allen Standorten des Unternehmens waren begeistert: ein Jahresauftakt nach Maß, eigentlich wie immer. Doch einen Vollrausch und 10 Monate später sah die Welt vollkommen anders aus.

2 Wettbewerber aus dem asiatischen Raum waren mit aggressiver Preispolitik und einem innovativen, Internet-basierten Vertriebsmodell zu einer ernsthaften Konkurrenz geworden. Langjährige Kunden, gestern noch zufrieden, wechselten kurzerhand zu den neuen Anbietern. Eine eilends eingerichtete Task Force stellte resigniert fest, dass erhebliche Investitionen in die veraltete IT-Infrastruktur und mindestens ein Jahr harter Arbeit notwendig waren, um überhaupt wieder Anschluss an die galoppierende Marktentwicklung zu gewinnen.

Gewinnen wollen …

Gerade in besonders erfolgreichen Organisationen stelle ich fest, dass hochrangige Führungskräfte kaum zu einer tieferen Auseinandersetzung mit aktuellen und sich anbahnenden Entwicklungen bereit sind. „Läuft doch super!“ „Never change a winning process!“ „Unsere Kunden sind seit Jahren zufrieden mit uns!“ Solche Antworten erhält, wer nach (selbst-) kritischer Überprüfung des bislang verfolgten Weges fragt. Aus einer Haltung unanfechtbarer Überlegenheit heraus wird auf den Unternehmenserfolg verwiesen. Wer Pech hat, löst pikierte Reaktionen aus: „Wollen Sie etwa andeuten, wir hätten bisher alles falsch gemacht? Dann erklären Sie mir mal, wieso der Wettbewerb seit Jahren versucht, uns zu kopieren.“

Nein, niemand will Erfolge kleinreden oder Erfahrungen abwerten, indem er auf neue Marktentwicklungen oder sich ändernde Rahmenbedingungen hinweist. Aber es ist ein unveränderlicher Tatbestand, dass die Erfolge von heute auf den Maßnahmen von gestern beruhen: Erfolg ist Resultat von etwas und dieses Etwas liegt in der Vergangenheit. Just darin besteht die Wertschätzung: anzuerkennen, dass seinerzeit mit Weitsicht, Entschlossenheit und Fortüne entschieden, dass Chancen mutig wahrgenommen und Risiken bewusst eingegangen wurden. Denn man wollte etwas gewinnen.

Angesichts sprunghafter, kaum noch vorhersehbarer Entwicklungen und einer weiter zunehmenden Veränderungsgeschwindigkeit ist jedoch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es irgendwann neue Antworten braucht. Als aktuelles Beispiel möchte ich die Entwicklungen im Bereich Mobiltelefone anführen: Nokia als ehemals marktdominierenden Hersteller von Mobiltelefonen wie auch ein noch vor wenigen Jahren als uneinholbar erscheinender Hersteller von Smartphones namens Blackberry (ehemals Research in Motion/ RIM) dürften sich als unangreifbar gewähnt haben. Und doch sind beide Anbieter mittlerweile abgehängt, verdrängt von Apple. Wer hätte vor gerade mal 6 Jahren damit gerechnet, dass ein Computerhersteller plötzlich ein äußerst attraktives Mobiltelefon mit einem vollkommen neuen Bedienkonzept platzieren könnte? Und das auch noch im Hochpreissegment.

… oder Niederlage vermeiden?

So paradox es klingen mag: Erfolg kann zum Problem werden. Schleichend und unbemerkt geraten Entscheider in eine Komfortzone und richten sich im erreichten Status ein. Jetzt gilt es eher den erreichten Zustand zu verteidigen und zu bewahren. Die Aufmerksamkeit wird darauf gerichtet, keine Fehler zu machen. Es mag sein, dass graduelle Verbesserungen angestrebt werden, aber eine grundsätzliche, ehrliche und ergebnisoffene Prüfung der aktuellen Rahmenbedingungen ist die Ausnahme. Kommen Selbstzufriedenheit und Selbstgefälligkeit hinzu, beginnt sich die Entscheiderebene endgültig gegen kritisches Hinterfragen zu immunisieren. Ich habe verschiedene Ursachen als wirksam beobachten können und hebe 3 hervor:

  • Risikovermeidung und Absicherungstendenz
    Immer wieder fällt mir auf, dass Führungskräfte dazu neigen, an etablierten Vorgehensweisen und Einstellungen festzuhalten. Frage ich nach den Gründen und tieferen Ursachen, höre ich die Antwort, dass diese Vorgehensweisen am ehesten geeignet seien, den Status quo zu erhalten und Risiken zu vermeiden. Herauspräparieren lässt sich das Motiv „Sicherheit“ – und gar nicht selten auch deren hässliche Schwester „Absicherung“. Letzteres Motiv tritt vorzugsweise, aber keinesfalls ausschließlich in großen Organisationen und Konzernen auf.
  • Persönliche Eitelkeit
    Nein, das mag der Chef gar nicht. Schon vorsichtige Hinweise auf Veränderungen im Umfeld oder innerhalb der eigenen Organisation werden als unangemessene persönliche Kritik, zuweilen gar als Majestätsbeleidigung aufgefasst. Schließlich war es doch die Führungskraft, die seinerzeit die entscheidenden Weichen für den Erfolg gestellt hat! Und das soll jetzt infrage gestellt werden?
  • Kollektiver und sich selbst bestätigender Denkstil
    Ein in seinen Beurteilungs- und Denkmustern homogener Entscheiderkreis wird schnell zu einem geschlossenen Zirkel mit einem eigenen Denkstil. Einmal etabliert, führt dieser Denkstil zu sich selbst bestätigenden Erkenntnissen. Die betroffenen Personen sind jedoch kaum in der Lage, dies zu erkennen. Selbst noch so zerstrittene Führungskreise stimmen oftmals in ihrer Grundüberzeugung überein, dass an den großformatigen Positionierungen des Unternehmens festzuhalten sei. In einem früheren Blogbeitrag habe ich mich näher mit diesem Phänomen auseinandergesetzt (hier geht es zu meinem Beitrag: https://axon-blog.de/fur-einen-hammer-ist-jedes-problem-ein-nagel-12/).

Und so entsteht ein vergangenheitsorientiertes Paralleluniversum, in dem die eigene Erfolgs-Story einfach weitergeschrieben wird. Treten Ereignisse ein, die mit diesem Paralleluniversum und den darin hinterlegten Annahmen, Deutungsmustern und Glaubenssätzen nicht vereinbar sind, so werden sie eher als Ausnahme betrachtet und nicht unbedingt als ernstzunehmendes Signal für eine widerläufige Entwicklung erkannt. Für zusätzliche Risiken sorgt der Umstand, dass die Organisationsinsassen kaum noch motiviert sind, auf sich anbahnende Marktveränderungen hinzuweisen: „Das wollen die da oben nicht hören“, heißt es bald.

Wie lässt sich diese Haltung überwinden?

Sie befinden sich exakt in einer solchen Situation? Ihre Entscheiderebene reagiert abwehrend auf warnende Hinweise, wo sie doch unbedingt handeln müsste? Darauf sollten Sie achten, wenn Ihnen doch noch die Möglichkeit für ein Gespräch eingeräumt wird:

  • Daten und Fakten: Die Hinweise auf neue und gefährliche Marktentwicklungen durch konkrete Daten und Fakten belegen;
  • Beispiele: Möglichst bekannte Fälle aus der eigenen Branche anführen, die beweisen, dass zu langes Verharren zu Problemen führt; falls keine Beispiele verfügbar sind: Musterfälle aus anderen Branchen suchen und zur Erläuterung nutzen (s.o.: Nokia und Blackberry);
  • Unmittelbare Erfahrungen: Anerkannte Experten, Berater oder persönlich betroffene (ehemalige) Führungskräfte anderer Unternehmen einbinden. Damit lässt sich dem bekannten Prophet-Effekt entgegen wirken („der Prophet gilt nichts im eigenen Land“);
  • Gedankenexperiment: Strategie-Workshop anregen, der der Frage nachgeht: „Wenn wir ein neuer, aggressiver Wettbewerber wären, wo würden wir angreifen?“

Dabei ist es wesentlich, keinen Zweifel an der aufrichtigen Wertschätzung für die errungenen Erfolge zu lassen. Wer an dieser emotional empfindlichen Stelle keine Angriffsfläche bietet, findet eher Gehör.

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Dr. Guido Wolf,
Kommunikationsforscher

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