Besinnen und Besinnliches_#65

von | 14/12/2017 | 5 Kommentare

Eine Selbstbefragung anhand von 5 Einladungen

Bekanntermaßen weihnachtet es in diesen Tagen und der Jahreswechsel ist bereits in Sicht. Für viele ist das allerdings ein ziemlicher Horror: immer noch keine Ideen für originelle Geschenke; mal wieder Besuchsstress: wer kommt zu Heiligabend zu Besuch, was wird gekocht und wie verhindern wir politische Diskussionen; wann endlich muss ich nicht mehr „Last Christmas“ hören; wie kriegen wir es hin, dass die Silvesterfeier wenigstens ein bisschen entgleist; etc. Aber auf eine eigentümliche Art ist die Zeit um Weihnachten und den Jahreswechsel allem Allzuweltlichen zum Trotz eine Gelegenheit, ein bisschen zu sinnieren. Wie lange ist es her, dass Sie sich dafür Zeit genommen haben?

Hier kommen 5 Einladungen in Frageform, hinterlegt mit einigen ergänzenden Impulsen. Ihre Antworten müssen Sie ja nicht jedem verraten – aber gemeinsam mit anderen macht es noch mehr Spaß. Beispielsweise, indem jeder seine Antworten anonym auf einen Zettel schreibt. Anschließend wird geraten, wer welche Antworten gegeben hat und wie es dazu kommen konnte. Damit es spannend bleibt, schlage ich vor, dass Sie zunächst nur die durch größere Schrifttypo markierte Hauptfrage lesen und beantworten, schriftlich oder im Kopf. Erst nachdem Sie eine Antwort gefunden haben, lesen Sie die angefügten weiterführende Fragen und Gedanken. Vielleicht ergeben sich zusätzliche Impulse? Erst dann setzen Sie sich mit der nächsten Hauptfrage auseinander usf. Los geht’s, wenn Sie mögen:

Frage 1: Was sind die 3 Momente in 2017, an die ich mich noch im Jahr 2022 (also in 5 Jahren) erinnern werde?

Fangen wir mit einem Rückblick der eher üblichen Art an. Sich dabei ein klein wenig anzustrengen, kann zu tieferen Einsichten ins eigene Erleben führen:

  • Fällt mir überhaupt etwas ein, das hinreichendes Potential für eine Erinnerung in 5 Jahren hat?
  • Falls nein: Was habe ich eigentlich das ganze Jahr über getrieben (bzw. nicht getrieben)?
  • Falls ja: Was haben die 3 Momente gemeinsam, die mir eingefallen sind bzw. die ich (womöglich aus einer größeren Anzahl) ausgewählt habe? Sind sie beispielsweise allesamt mit meiner Arbeit verbunden, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass mir die Prioritäten im Sinne der Work-Life-Balance verrutscht sind. Wenn mir ausschließlich Urlaubssituationen eingefallen sind, stellt sich andersherum die Frage: Erfüllt mich meine Arbeit nicht (mehr)? Wieso gehe ich ihr noch nach – oder sollte ich etwas ändern?
  • Welcher Art sind die 3 Momente, die mir eingefallen sind: allesamt positiv? Oder gerade nicht? Falls nur positiv: Passt das zu „meinem“ Jahr 2017 oder gibt es Erlebnisse, die ich lieber nicht anschaue? Falls nur negativ: Bin ich noch offen für positive Erlebnisse?
  • Und nur mal zur Probe: Wenn ich 5 Jahre zurückdenke: Welche 3 Momente aus dem Jahr 2012 sind mir noch präsent? Oder muss ich mich erst mühsam erinnern, was überhaupt in jenem Jahr passiert ist?

Frage 2: Angenommen, ich hätte eine Kristallkugel, durch die ich den 31.12.2018 sehen könnte: Welche 3 besonderen Erlebnisse würde ich rückblickend von diesem Tag mit Freude betrachten?

Von hinten durch die Brust ins Auge gefragt:

  • Was möchte ich im kommenden Jahr gern erlebt haben?
  • Hinterlegt mit denselben Anschlussfragen wie unter 1.: Alles nur Urlaub, Hobby und Freizeit – was sagt mir das über meine Sicht zu meiner Arbeit?
  • Und vice versa: Besonders freudvolle Momente erwarte ich nur in meiner Arbeit – wo bleibt freudvolles Erleben außerhalb des Jobs?
  • Aber natürlich ist auch zu fragen: Wie könnte ich wirksam dazu beitragen, dass diese Erlebnisse auch tatsächlich stattfinden?

Frage 3: Was bräuchte ich, damit es mir an nichts fehlt?

Tja, spätestens mit dieser Frage geht es ans Eingemachte:

  • Können Weihnachtsgeschenke (Socken; Krawatten; Unterwäsche; teurer Wein; usf.) die verbliebene(n) Lücke(n) schließen?
  • Blicke ich (angesichts meiner Antworten auf diese Frage) ausschließlich auf meine materiellen Bedürfnisse? Habe ich womöglich gar keine anderen Wünsche?
  • Was fehlt mir offenbar nicht (mehr)?
  • Was könnte mir demnächst verloren gehen, wenn ich nicht aufpasse, und was wäre die Konsequenz?
  • Welchen Stellenwert messe ich der Sicht Anderer (und wer ist das?) auf mich bei und hat das Einfluss auf meine Bedürfnisse? Anders gefragt: Wünsche ich mir, was andere bereits haben?
  • Welche Antworten auf diese Frage sind mir zunächst gar nicht eingefallen, was mich nun ziemlich irritiert auf mich selbst blicken lässt?

Frage 4: Was würde mir fehlen, wenn es mir an nichts fehlen würde?

Wir graben tiefer:

  • Komme ich zu ähnlichen Antworten wie bei Frage 3?
  • Falls ja: Von welcher Art wären meine dann noch vorhandenen Bedürfnisse? Fallen mir ausschließlich materielle Bedürfnisse oder auch immaterielle Wünsche ein?
  • Was erzählt mir all das über meine Bedürfnisse? Welche Bedürfnisse habe ich nicht (mehr), welche sind bereits gedeckt?
  • Müsste es mir also eigentlich sehr gut gehen – oder womöglich sehr schlecht?
  • Geht es mir vielleicht gar nicht um die Erfüllung von Wünschen, sondern darum, offene Wünsche zu haben?

Frage 5: Wie ehrlich bin ich mir selbst gegenüber, wenn ich mir Fragen über mich selbst stelle?

Mit dieser Frage wird der Rückblick auf den Rück- bzw. Voraus-Blick der ersten 4 Fragen und meine Antworten eingeläutet. Ein bisschen nachgehakt:

  • Welche der bisherigen Fragen habe ich ehrlich beantwortet, welche nicht?
  • Bei welchen Fragen habe ich gar nicht erst nach Antworten gesucht, sondern gleich die weiteren Fragen aufgeklickt?
  • Welche Fragen haben mich geärgert/ irritiert/ wütend gemacht? … und wieso?
  • An welcher Stelle habe ich in den Modus „Ironische Überlegenheit“ geschaltet? Welche Rolle spielte dabei das Gefühl, mich vor der Auseinandersetzung mit mir selbst zu schützen?
  • Wo habe ich meine Selbstbefragung abgebrochen?
  • Über welche meiner Antworten freue ich mich?
  • Wann habe ich mir das letzte Mal Zeit genommen, um über mich selbst nachzudenken?
  • Was habe ich Neues über mich erfahren? Was ist vielleicht keine neue Erkenntnis, aber eine, die seit längerem verschüttet war?

Ich wünsche Ihnen besonnen-besinnliche Weihnachtstage, einen guten Rutsch und ein großartiges neues Jahr! Danke, dass Sie meine Leser sind – ich hoffe auf Ihre Treue auch in 2018.

5 Kommentare

  1. Andrea Wilhelmi

    Danke Guido Wolf für diesen inspirierenden Beitrag, und die 5 (x5) Fragen, die ich mitnehme auf meinen persönlichen Jahresrückblick. Wo ist der “Teilen”-Button???
    Fröhlich-besinnliche Weihnachten und bis zum nächsten Jahr.

    Andrea Wilhelmi

  2. Hans J. Beins

    Hallo Guido,
    danke für die sinnvollen Anregungen im Jahr 2017! Ich freue mich darauf, den ein oder anderen Gedanken bei der gemeinsamen Klausurtagung im Januar aufzunehmen!
    Natürlich bleibe ich Dir auch 2018 treu!
    Herzliche Grüße, Hans

  3. Dr. Guido Wolf

    Liebe Andrea, lieber Hans, vielen Dank für Euer Feedback. Der Hinweis auf den “Teilen”-Button wird bei nächster Gelegenheit aufgegriffen, auch dafür Danke.

  4. Günter Pütz

    Lieber Guido,
    herzlichen Dank für deine Inspirationen in 2017. Ich freue mich auf nächste Begegnungen.
    Beste Grüße
    Günter

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Dr. Guido Wolf,
Kommunikationsforscher

Unternehmensberater – Trainer – Moderator – Coach

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